17.09.2025
NEWood: Nachhaltige Dämmstoffe und Bindemittel auf Basis von Myzel.
Ein Blick in die Forschung am Institut für Entwerfen und Bautechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Ostfildern/Karlsruhe 17. September 2025. Joachim Hörrmann von proHolzBW besuchte das Karlsruher Institut für Technologie. Dort traf er Dr. Alireza Javadian, Senior Researcher und Head of Research am Institut für Entwerfen und Bautechnik (IEB). Forschungsschwerpunkt am IEB ist die Erforschung und Entwicklung von biobasierten, kreislauffähigen Baumaterialien nicht aus frisch geschlagenenm Holz, sondern aus erneuerbaren Materialien, wie zum Beispiel Myzel und technischem Bambus. Speziell die Entwicklung nachhaltiger Bindemittelsysteme und Dämmstoffe aus Myzel ist von großem Interesse, um die europäischen und globalen Nachhaltigkeitsziele für zirkuläres Bauen voranzutreiben.
Was ist Myzel?
Pilzmyzel bietet hierbei herausragende Möglichkeiten. Myzel ist das Wurzelgeflecht von Pilzen. Es kann als natürliches Bindemittel fungieren und ermöglicht die Umwandlung von organischen Abfällen – zum Beispiel aus der Landwirtschaft oder von der Holzindustrie – in leichte, biobasierte Verbundwerkstoffe. Dr. Alireza Javadian: „Die so entstehenden Materialien sind nachhaltig im ursprünglichen Sinn: vollständig erneuerbar, kompostierbar und frei von fossilen Bindemitteln wie Formaldehydharzen oder Polyurethanschäumen.“ Am Institut Entwerfen und Bautechnik (IEB) des KIT konzentriert sich die Forschung zu Myzel daher auf die Entwicklung skalierbarer, kreislauffähiger Materialien, die herkömmliche Produkte in der Bau- und Möbelindustrie ersetzen und gleichzeitig Abfall und CO2-Emissionen reduzieren können.
Forschungsschwerpunkte zu Myzel am IEB.
Der Fokus am IEB liegt in der Materialentwicklung und –Verarbeitung, wie zum Beispiel die Kultivierung von Myzel mit verschiedenen Substraten aus organischen Abfällen. Verarbeitungsmethoden wie Heißpressformung zur Herstellung langlebiger und formstabiler Verbundwerkstoffe werden untersucht. Weiter stehen im Fokus die mechanischen und ökologischen Eigenschaften wie Festigkeit, Steifigkeit, Wärmeleitfähigkeit, Schallabsorption und Feuerbeständigkeit oder vergleichende Lebenszyklusanalysen zum Vergleich von Myzel-Verbundwerkstoffen mit herkömmlichen Produkten wie EPS, PU-Schäumen, MDF und Spanplatten. Dabei liegt der CO2-Fußabdruck von myzelbasierten Dämmstoffen deutlich unter denen fossiler Alternativen.
NEWood: Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten.
Anwendung finden die neuen, biobasierten Dämmstoffe auf Myzelbasis im Bauwesen zum Beispiel in der Wanddämmung, in Akustiksystemen, als nichttragende Platten oder Sandwichkomponenten. Spannend sind hier auch hybride Materialsysteme wie zum Beispiel die Kombination von Myzel mit Holzfasern oder natürlichen Textilien zur Verbesserung der mechanischen und ästhetischen Eigenschaften.
Wissenstransfer und Ausblick.
Das Myzel-Forschungsprogramm am KIT IEB basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit Industriepartnern, Land- und Forstwirtschaft sowie Zertifizierungs- und Regulierungsbehörden, um Theorie und Praxis optimal zu vereinen: Gemeinsame Forschungsprojekte ermöglichen die Pilotproduktion, Leistungsprüfungen in realen Anwendungen und die Entwicklung zertifizierungsfähiger Lösungen, die zum Übergang zu einer kreislauffähigen, CO2-negativen Bauwirtschaft beitragen. Die Myzelforschung am KIT IEB zeigt das Potenzial von Verbundwerkstoffen auf Pilzbasis als praktikablen Ersatz für synthetische Schaumstoffe und Holzwerkstoffe. Durch die Kombination von Materialwissenschaft, Architekturdesign und industrieller Zusammenarbeit ebnet das IEB den Weg für CO2-neutrale, abfallfreie Materialsysteme, die sowohl die ökologische Regeneration als auch nachhaltiges Bauen unterstützen.
Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Javadian für die spannenden Einblicke in diese höchst relevanten Forschungsfelder, die einen Ausblick auf zukünftige innovative Entwicklungen im Produkt- und Verfahrensbereich des Bauwesens geben.
Fotos: KIT
Text: Esther Reinwand/KIT