Ostfildern, 10.01.2024. Eine Holz-Carbon-Brücke war es, die 2016 Ideengeber und Initiator für die Cross-Cluster Veranstaltungsreihe war. Mittlerweile konnte Prof. Dr.-Ing. Markus Milwich vom DITF-Kompetenzzentrum Polymere & Faserverbunde die sechste Ausgabe von Cross-Cluster-Innovativ moderieren. Die Idee ist einfach: an der Schnittstelle von faserbasierten Naturstoffen und Textilien sollen Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten für neue Anwendungen aus biobasierten Rohstoffen aufgezeigt werden – getreu dem Motto „Textil trifft auf Holz“. Kooperationspartner sind die Allianz Faserbasierte Werkstoffe (AFBW), die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) sowie proHolzBW, Ostfildern.
Nichts scheint unmöglich…
In seinem einleitenden Übersichtsvortrag stellte Prof. Milwich die Vorteile biologischer Materialien vor: neben Ressourcenschonung, hervorragenden Öko- / Energiebilanzen und hohen gewichtsbezogenen mechanischen Eigenschaften weisen diese auch ein gutmütiges, zähes Crashverhalten auf. Zudem splittern sie nicht scharfkantig, was zu weniger Verletzungen führt. Das Marktvolumen von Natur- und Cellulosefaser-verstärkten Kunststoffen betrug in 2017 allein im Bereich von WPC (wood-plastic-composites) rund 5 Millionen Tonnen, vor allem für Terrassendielen oder Fassaden. Weitere Anwendungen von Naturfaserverstärkten Kunststoffen finden sich z.B. in der Möbelindustrie und Automobilindustrie (Türinnen-, Säulenverkleidungen, Dachhimmel, Armaturenbretter, Hutablage). Ein besonders prägnantes Beispiel sind die Karosserieteile am Porsche GT3 „Smudo“ oder beim derzeit aufgebauten „Nachhaltigkeitsträger“ BMW M4. Weiter zeigte der beeindruckende Blick in die Welt der Faserforschung fünf-bis sechseckige Fachwerke auf Basis von Plankton, interaktive Smart-Textiles-Bespannungen, endlos-faser-verstärkte biobasierte 3D-Druck-Materialien bis hin zu 3D-Faser-Wickeln mit zukünftiger KI-unterstützung der Faserlegung. Weitere Projektaktivitäten des DITF sind bioabbaubare Baum-Wuchshüllen oder Faserverbundwerkstoffe aus fasrigen Gärresten.
Insgesamt sind in den letzten Jahren enorme Fortschritte in Forschung und Entwicklung gemacht worden. So sind z.B. Flachs- und Hanfverbundwerkstoffe mittlerweile recht nah an den Eigenschaften von Glasfaser- bzw. Carbonfaser- Verbundwerkstoffen; Biokomposite sind in puncto Flammschutz bis B1 in der Widerstandsklasse ausrüstbar. Als Ausblick nannte der Wissenschaftler das enorme Potential von Bambus.
Faserwerkstoff-Anwendung am anderen Ende der Welt.
Ian Wright aus Australien stellt mit seiner von seinem Großvater gegründeten Firma „Norman R. Wright & Sons“ eigentlich Schiffe in der dritten Generation her, unter anderem für private, gewerbliche und staatliche Auftraggeber. Auch im Schiffbau tritt der Nachhaltigkeitsgedanke zunehmend in den Vordergrund und fließt entsprechend in die Schiffs-Konstruktionen der Firma ein, so dass zunehmend biobasierte Werkstoffe verwendet werden. In der Weiterführung des Nachhaltigkeitsgedanken in andere Branchen entwarf und fertigte Ian Wright ein ultraleichtes Wohnhaus aus biobasierten Werkstoffen. Die wesentlichen Elemente sind leichte Sandwichplatten aus Flachsfaser-Deckschichten mit Balsaholzkern. Durch diese Konstruktionsweise gelingt es dem Bauherrn, enorm ressourceneffizient und leicht zu bauen, da das Haus weniger als neun Tonnen wiegt und nur mit einem Kran umgesetzt werden könnte. Das Haus ist sehr stabil, sturmsicher und Witterungsbeständig und stellt das an seinem Standort an der australischen Küste tagtäglich unter Beweis. Leider (aus Sicht der Anwender) sind Flachs und Balsaholz derzeit stark nachgefragt und damit hochpreisig.
Ian ist von Flachs als Werkstoff überzeugt, da Flachs mit wenig Wasser, Dünger und Pflanzenschutz auskommt. Die beim Faseraufschluss anfallenden Nebenprodukte werden als Tiereinstreu verwendet oder können in der Biogasanlage Strom erzeugen. Faserpflanzen oder Holz werden insgesamt als CO2-neutral bezeichnet, da beim Wachsen ebenso viel CO2 verbraucht wird, wie am Ende ihres (Produkt-) Lebenszyklus durch den biologischen oder thermischen Abbau wieder freigesetzt wird.
Regionales Netzwerk erschließt enormes Potential.
Dr. Petra Jung-Erceg, Leiterin der Strategieentwicklung der Technologieregion Karlsruhe, stellte das Potential von pflanzenbasierten Fasern für regionale Wertschöpfungsketten vor. Ziel Ihres Partner-Netzwerks ist die Skalierung der biobasierten Bauwirtschaft. Dazu wurden beispielsweise Desktop Recherchen zu Markteintritts- und Skalierungsprozessen, Stakeholder-Interviews und Expertenworkshops durchgeführt. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Die Gesetzgebung ändert sich nur langsam und es besteht ein Investitionsrisiko aufgrund fehlender rechtlicher Absicherung, hohen Anforderungen und komplexer Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund seien laut Jung-Ereq Demonstrationsprojekte wichtig, um die Möglichkeiten aufzuzeigen.
Ein mutiges Pilot-Projekt sucht Nachahmer.
Der Architekt Heinz Hanen der Firma Hanen Architekten in Karlsruhe, stellte ein Praxisbeispiel für die Umsetzung von pflanzenbasierten Innovationen in Bauprojekten vor: Seine Firma evohaus fertigte das Quartier am Federbach aus Hanfkalkstein. Hanen ist überzeugt: „Die Symbiose der ältesten Kulturpflanze der Menschheit (Hanf) mit einem der ältesten und bewährtesten Baumaterialien (Naturkalk) ergibt den Baustoff der Zukunft.“ Vorteile des Verbundmaterials liegen in der Kreislauffähigkeit, der einfachen Bearbeitung sowie einer hohen Langlebigkeit, welche aus der „Versteinerung“ im Herstellungsprozess resultiert. Weitere Pluspunkte sind Feuerbeständigkeit, Schallabsorption sowie gute Feuchtigkeits- und Temperaturregulierung. Ein Effizienzhaus-40-Standard kann mit verschiedenen Konstruktionsvarianten „Holzständerbau mit außenliegender Hanfkalkstein-Dämmung“, „Gefachdämmung und Innendämmung“ oder „außen- und innenliegender Hanfkalkstein-Dämmung mit Gefachdämmung“ erreicht werden. Leider gibt es derzeit für das Nischenprodukt weder eine europaweite gültige technische Zulassung noch eine Produktdeklaration. Auch eine allgemeingültige Normung ist nicht verfügbar. Das vorgestellte Projekt soll einen wesentlichen Beitrag zur weiteren praxisnahen Erforschung von pflanzenbasierten Faser-Baustoffen liefern und somit die Entwicklung einer allgemeingültigen Norm für den Hanfkalkstein unterstützen.
Laubholz wird wieder so bedeutend wie einst.
Prof. Anne Niemann von der Technische Hochschule Rosenheim erläuterte in ihrem Vortrag die Einsatzmöglichkeiten von Laubholz im Bauwesen. Dabei zeichnete Sie den historischen Bogen: In ersten jungsteinzeitlichen Hütten wurden bis zu 13 verschiedene (Laub)-Hölzer verwendet – je nach Zweck und Einsatz. Die Westminster Hall – größte Halle aus dem 13 Jahrhundert – besticht durch eine Hammerbalkenkonstruktion aus Eiche. Die Kuppel des Doms in Florenz lastet bis heute auf einer Kastanienholz-Konstruktion. Das Bauen mit Laubholz war also früher schon hoch ausgefeilt. Heutige Anwendungen sind z.B. schlanke Hallentragwerke, aber auch komplexe Formen für die Innengestaltungen von Clubs. Die zentrale Erkenntnis lautet: Laubhölzer wurden seit je her – insbesondere auch in Kombination mehrerer Harthölzer je nach Aufgabe – genutzt und verbaut. Aufgrund des Klimawandels und des Waldumbaus wird zunehmend mehr Laubholz anfallen. Werden diese Laubholz-Mehrmengen mit ihren entsprechenden Vorteilen wie z.B. höheren Festigkeiten (Materialeinsparung) und hohen Oberflächenqualitäten entsprechend genutzt, können wesentliche Mehrwerte beim zirkulärem Bauen entstehen.
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