28.07.2021
Beste Ökobilanz und hervorragende mechanische Eigenschaften
Was passiert, wenn Forstleute, Fahrzeugkonstrukteure und Materialwissenschaftler Ideen austauschen?
Ostfildern, 28. Juli 2021: Bei der ersten gemeinsamen Auftaktveranstaltung von proHolzBW und dem DLR Institut für Fahrzeugkonzepte trafen am 30.06.21 frei nach dem Veranstaltungsmotto bekannte Welten aufeinander, um neue Möglichkeiten nachhaltiger Konstruktionsweisen zu entdecken.
In der knapp vierstündigen digitalen Veranstaltung erhielten die Teilnehmer spannende Einblicke in die Welt der interdisziplinären Forschung – ein wissenschaftliches Feld, das laut unseren fünf hochkarätigen Referenten erst am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung steht. „Holz als nachhaltiger Rohstoff soll auf möglichst breiter Ebene eingesetzt werden“, so Dr.-Ing Dennis Röver, Geschäftsführer von proHolzBW, der auf die ersten Satelliten aus Holzkonstruktion verwies, die in naher Zukunft als „nachhaltige“ Sender um die Erde kreisen werden. Auf die Multiplikationseffekte interdisziplinärer Forschung verwies auch David Heyner, Institut für Fahrzeugkonzepte des DLR: „Was war unser Ziel, als wir diese Veranstaltung gemeinsam mit der proHolzBW initiiert haben? Das Thema Holz in Fahrzeugstrukturen einem breiten Publikum zugänglich zu machen, und die verschiedenen Akteure aus dem Bereich der Forstwirtschaft, aus dem Bereich der holzverarbeitenden Betriebe sowie aus dem Bereich der Mobilität, der Schienen- und Straßenfahrzeuge, zusammen- und an einen Tisch zu bringen.“
Smart Forestry
Dr. Ulrich Schraml von der Forstlichen Forschungs- und Versuchsanstalt FVA Freiburg referierte zum Thema Holzernte, Wald als CO2-Speicher und Holzverfügbarkeit – wie müssen zukünftige Wälder beschaffen sein, um für die Herausforderungen des Klimawandels gewappnet zu sein? „Wälder werden in Zukunft anders aussehen, als das, was wir heute kennen“, so Schraml. „Wir wünschen uns alte Bäume im Wald.“ Aber ein alter Baum hält Dürreperioden und Käferbefall, wie sie in den letzten Jahren immer häufiger vorkommen, nicht stand. Hier braucht es ein Umdenken und neue, nachhaltige Lösungsansätze für den Waldanbau und die Waldbewirtschaftung wie zum Beispiel „Smart Forestry“.
Fichte, Baubuche, Stahl
Dr. Simon Aicher von der Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart referierte über die gewichtsbezogene Leistungsfähigkeit verschiedener Materialien in Architektur und anderen angewandten Konstruktionen. Baumaterialien wie Brettschichtholz oder Brettsperrholz sind dabei Stahl deutlich überlegen, nur Aluminium oder Kohlefaserverbundwerkstoffe verweisen auf noch höhere Biegefestigkeiten als Holz. Dadurch können auch überdimensional große Konstruktionen wie Brückenträger oder Dächer mit großer Spannweite mit Holzwerkstoffen gebaut werden. Holzbaustoffe verfügen daher über herausragende, teils noch unbekannte Qualitäten, die sie für viele zukünftige Anwendungsgebiete interessant machen.
Game Changer
Aluminium, Magnesium, Kupfer, CFK oder Sandwichbauweisen als Enabler: Über Werkstoffe als Treiber für die Mobilität von der Bronzezeit bis in die Gegenwart referierte der Keynote-Speaker Prof. Dr. Horst E. Friedrich, ehem. Direktor des Instituts für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. In der Luftfahrt findet Holz schon länger Anwendung: beispielsweise in der „Spruce Goose“ – das Flugzeug mit der damals größten Flügelspannweite überhaupt sollte 1942 nur aus Holz gebaut werden, um nicht kriegswichtige Metalle verwenden zu müssen. Hergestellt wurde das Flugzeug aus 95 % laminiertem Birkenholz. Doppelt gekrümmte Flächen mit Phenol-Formaldehydharz getränktem Sperrholz wurden dafür mit Druck und Temperatur in Form gepresst. Ein Game Changer aus der Gegenwart ist dagegen das DLR Fahrzeugkonzept U-Shift, ein elektrisch angetriebenes und automatisiert betriebenes Logistik-Fahrzeug in leichter, kostengünstiger und flexibel einsetzbarer Modulform.
Weniger Masse, hohe Umweltverträglichkeit, geringere Kosten
Torsten Albert der Firma Alstom referierte über den Einsatz von Holzwerkstoffen in strukturellen Baugruppen von Schienenfahrzeugen. Er stellte den Teilnehmern „For(s)tschritt“ vor. Bei dem Projekt wurden die Möglichkeiten erforscht, durch den Einsatz von Holz, im konkreten Fall Buchenholz, welches sich aufgrund der mechanischen Eigenschaften sehr gut eignet, die Masse struktureller Bauteile zu reduzieren bei einer gleichzeitig verbesserten Umweltverträglichkeit. Die Beispielkonstruktion war in diesem Fall eine Seitenwand in Holz eines U-Bahnwagenträgers.
Daniel Kohl von der Volkswagen AG informierte im anschließenden Vortrag über die Ergebnisse des BMWi-geförderten Forschungsprojekts For(s)tschritt in Bezug auf angewandte Holzkonstruktionen bei oben erwähnter U-Bahn Seitenwand sowie der Fahrzeugtür eines VW Tiguan. Nach vielfältigen Belastungstests bei Anwendungen in Schienenfahrzeugen und Crash-relevanten Fahrzeugstrukturen zeichneten sich klar die Vorteile von Holz als Konstruktionsmaterial heraus: weniger Bauteilmasse, hohe Umweltverträglichkeit mit einem negativen CO2-Footprint von -1 kg CO2eq/kg Material und geringere Kosten bei gleichzeitig hervorragenden mechanischen Materialeigenschaften.
Am Ende der Veranstaltung entwickelte sich eine lebhafte Diskussion zum Thema. proHolzBW und das DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, Stuttgart bedanken sich bei allen Referenten und Teilnehmern für die gelungene Auftaktveranstaltung. Der Termin für die nächste Veranstaltung zum Thema wird auf der proHolzBW Homepage bekannt gegeben. Wir freuen uns, wenn Sie wieder dabei sind!
Bei Interesse an den Vorträgen wenden Sie sich bitte an Lavinia Kästner unter info@proholzbw.de.
Veranstalter
proHolzBW und DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, Stuttgart