03.05.2021
Ein Markt, der nicht nur von Angebot und Nachfrage bestimmt wird
Verfügbarkeit und Preisentwicklung: proHolzBW hat bei den Akteuren des Clusters Forst und Holz nachgefragt.
Ostfildern, 29. April 2021: Wenn von Holz die Rede ist, stehen in der Regel die ökologischen Vorteile, die bautechnischen Möglichkeiten oder auch die einzigartige Ästhetik des nachwachsenden Rohstoffes im Fokus. Zur Zeit ist dies anders: Schlagzeilen wie „Preisanstieg bei Holz und Holzprodukten“ oder „Lieferengpässe aufgrund hoher Nachfrage bei Holz“ bestimmen die öffentliche Wahrnehmung. Warum ist das so?
proHolzBW hat in den Teilbranchen des Clusters Forst und Holz nachgefragt – und von den meisten angeschriebenen Interviewpartnern auch Antworten erhalten. Kein repräsentativer Querschnitt des Clusters, aber wichtige Statements, die einen ersten Überblick erlauben. Mit der für alle Interviewpartner identischen Einstiegsfrage „Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?“ machen wir die Vergleichbarkeit der Antworten möglich. Die weiterführenden Fragen 2 und 3 sind auf die jeweiligen Teilbranchen zugeschnitten. Doch lesen Sie selbst – drei Fragen zu einer Marktsituation, die offensichtlich nicht nur von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Frage an den Waldbesitzer und Forstverwalter:
Dipl.-Ing. Joachim Prinzbach, Forstwirtschaft, Vorstand Forstwirtschaftliche Vereinigung Schwarzwald eG
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?
Aufgrund der hohen Nachfrage und dem entsprechenden Verbrauch, sowie rückläufigem Anfall von Kalamitätsholz ist grundsätzlich aktuell weniger Rundholz verfügbar, als dies in 2020 der Fall war. Dazu kommt, dass sich aufgrund des geringen Preises der planmäßige Frischholzeinschlag bisher auf einem relativ niedrigen Niveau bewegt hat. In Summe führt dies zu einer Verknappung des Rohstoffes. Die Rundholzpreise müssen deutlich angehoben werden um die Waldbewirtschaftung finanziell wieder attraktiv zu machen.
Wie reagieren Sie auf die Anforderungen des Klimawandels und die steigende Nachfrage nach dem Roh- und Werkstoff Holz?
Eine kurzfristige Reaktion ist eher schwierig. Eine Anpassung des Waldbaus z.B. über klimaangepasste Baumarten oder auch eine Verringerung der Umtriebszeit bieten Möglichkeiten.
Sollten wir über eine Intensivierung der Waldwirtschaft nachdenken?
Der politische Wille und der gesellschaftliche „Mainstream“ zeigen aktuell ja einen anderen Trend. Bei den hervorragenden Möglichkeiten, die uns die Verwendung von Holz gerade auch im Zusammenhang mit den CO2-Bilanzen und somit im Kampf gegen den Klimawandel bietet, sollte so viel wie möglich dieses wunderbaren Rohstoffs in Deutschland geerntet werden. Dies natürlich auf Basis unserer international führenden Standards bezüglich Naturnähe und Nachhaltigkeit, verbunden mit einer entsprechenden Zertifizierung. Es ist nicht zielführend, wenn das benötigte Rundholz alternativ im borealen Nadelwaldgürtel in subtropischen Holzplantagen oder im Tropenwald exploitiert wird.
Frage an den mittelständischen Sägewerksbesitzer:
Manuel Echtle, Sägewerk Echtle KG
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?
Deutschland produzierte laut statistischem Bundesamt 25 Mio. cbm Schnittholz im Jahr 2020. 15 Mio. cbm wurden im eigenen Land verarbeitet, der Rest exportiert. 2020 wurden im Vergleich zu 2019 zwei Mio. cbm mehr Holz geschnitten, jedoch nur 0,7 Mio. cbm mehr exportiert. Das bedeutet, dass 1,3 Mio. ins Inland flossen. Mit ein Grund ist auch, dass durch die Pandemie weder für Reisen noch für sonstige Dinge Geld ausgegeben werden konnte, sodass enorme Gelder für Hausneubauten oder Sanierungen ausgegeben wurden, die sich in der derzeitigen Holznachfrage widerspiegeln – und dies weltweit. Der derzeitige Schnittholzpreis wird enorm von Exportpreisen beeinflusst. Für die Holzbaubetriebe und den Zimmerer eine sicher nicht einfache Situation. Doch inzwischen hat das Ganze eine Eigendynamik bekommen, die die Situation nicht bessert. Der Preis wird sich meiner Meinung nach in der zweiten Jahreshälfte normalisieren, doch Holz wird eine andere Werthaltigkeit haben. Dadurch wird der Export uninteressanter und der Inlandsmarkt muss nicht mehr Angst haben an Unterversorgung zu leiden.
Deutschland hat die glückliche Lage, nicht um eine Schnittholzversorgung bangen zu müssen, wie man aus den Zahlen ersehen kann. Zum anderen ist in den letzten drei Jahrzehnten auch ein Produktwandel erfolgt. Weg vom normalen nassen Bauholz, hin zum KVH [Konstruktionsvollholz] oder Leimholz. Die Sägeindustrie in Baden- Württemberg hat es nicht geschafft, die Umstellung mit zu gehen und daher sind die Holzbauer auf externe Lieferanten angewiesen. Hier bedarf es dringend mehr Wertschöpfung im eigenen Bundesland. Zum anderen ist eine engere Lieferenten-Kundenbeziehung wieder wichtig. Dies zeigt sich gerade jetzt. Viele haben ihr Schnittholz über den Preis gekauft. Das Holz kam von „Überall“ und dies rächt sich jetzt. Holz der kurzen Wege wird Bedeutung gewinnen.
Große Mengen an Rundholz werden aktuell nach China und auf den amerikanischen Kontinent exportiert. Warum ist das so? Kommen die Sägewerke dadurch an ihre Leistungsgrenze?
Die Mengen Rundholz, die exportiert wurden, hätte die Sägeindustrie gar nicht aufnehmen können. Wir hatten 2020 80 Mio. fm Rundholz (meist Kalamitätsholz) zur Verfügung. Deutschland verarbeitet nur ca. 40 Mio. fm. Die Versorgung der deutschen Sägewerke ist derzeit gut. Immer noch bedingt durch die Trockenschäden kommen nachhaltig Hölzer aus angeschlagenen Waldbeständen.
Mit der Forstreform darf das Land seit 2020 das Holz aus Privat- und Kommunalwald nicht mehr direkt vermarkten. Wie wirkt sich das auf die Verfügbarkeit des Holzes aus?
Dies hat bisher im Schwarzwald keine Auswirkungen auf die Verfügbarkeit, doch der Aufwand und die Verwaltungskosten haben zugenommen. Es kann sein, dass wegen einer LKW Ladung Rundholz mit drei verschiedenen Waldbesitzarten drei Mal der gleiche Waldweg aufgesucht werden muss. Wichtig ist, dass trotz der dezentralen Strukturen der Waldbesitz gute Beratung und Betreuung findet. In den kommenden Jahren, in denen Holz einen bedeutenderen Stellenwert erlangt, darf die Verfügbarkeit und die Holzkette dadurch keine Nachteile erfahren. Wie die Zahlen es zeigen, ist Rundholz nachhaltig in Baden-Württemberg ausreichend vorhanden, um den Bedarf zu decken.
Frage an den Zimmerer und Holzbauunternehmer:
Daniel Schaible, Holzbau Schaible GmbH
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?
Die Situation ist sehr diffus und auch schwer zu Beschreiben. Zuerst das Positive: Es gibt regionale Lieferketten, wie zum Beispiel das regionale Sägewerk mit angegliedertem Abbundzentrum, die nach wie vor sehr gut funktionieren und die Preisanpassungen in einem einigermaßen erträglichen Tempo und Ausmaß durchführen. Jedoch drohen auch hier Probleme, da insgesamt eine sehr hohe Nachfrage im Holzbau vorherrscht. Wesentliche Probleme haben wir momentan beim BSH, Brettsperrholz, Holzwerkstoffplatten und Holzweichfaserdämmstoffen: hier erfährt die Preisentwicklung eine Steigerung von 50-100% im Vergleich zum Vorjahr mit extrem steigenden Lieferzeiten.
Die Probleme sehe ich sehr vielschichtig und auch schwierig zu durchschauen. Es wird viel darüber gesprochen, aber den einen Grund für die aktuelle Situationen und die eine Lösung sehe ich momentan nicht. Es handelt sich meiner Meinung nach um eine Kombination aus sehr vielen langfristigen und kurzfristigen Themen, die sich momentan für den Holzbau sehr ungünstig aufsummieren. Zum einen ist da die gute Konjunktur am Bau kombiniert mit der gesteigerten Nachfrage zum Nachhaltigen Bauen mit Holz. Nach und nach, auch durch gute Verbandstätigkeit, ist der Holzbau im Mehrgeschossigen Wohnbau angekommen. Dort wird mit hohem Vorfertigungsgrad in der Industrie und wenig Aufwand auf der Baustelle viel Holz verbaut, was dazu führt, dass die Zimmerer und Holzbaubetriebe insgesamt mehr Holz verbauen können und derzeit die Industrie, aus welchen Gründen auch immer, die Nachfrage nicht decken kann.
Auf der anderen Seite ist da der „Holzmarkt“. Hier haben sich schon über Jahre Probleme aufgestaut. Das Problem fängt im heimischen Wald an, wo das Holz vor unserer Haustüre Tag für Tag wächst. Die preisliche Wertschätzung des Nutzholzes ist für das, was es leistet, zu niedrig. Wer einen eigenen Wald hat, kann davon ein Lied singen. Erst, wenn es sich auch für private Waldbesitzter wirtschaftlich lohnt, einen Wald vernünftig zu pflegen, den Bestand durch Nachpflanzungen aufrecht zu erhalten und das Holz ohne Schäden am Bestand zu ernten, sehe ich das Bauen mit Holz als nachhaltig und die langfristige Versorgung mit dem Rohstoff Holz als gesichert.
Weitere Probleme sehe ich bei der Verarbeitung des Holzes, sehr viele regionale Sägewerke wurden aufgrund des Wettbewerbes zu großen, überregionalen Sägewerken zusammengeschlossen. Bei den verbliebenen Sägewerken wurde in den vergangenen Jahren aufgrund des niedrigen Ertrages wenig investiert, viele Säger haben sich auf Nischenprodukte spezialisiert. Wenn nun wenige große Sägewerke, die international agieren, den heimischen Markt nicht beliefern, führt das zwangsweise zu Problemen. Hier muss ein Umdenken stattfinden und verstärkt auf regionale Lieferketten gesetzt werden. Befeuert wird diese Thema nun noch durch aktuelle Themen wie die hohe Nachfrage und damit hohen Preisen auf dem internationalen Holzmarkt, was derzeit oft als alleinige Begründung für die Preissteigerungen verwendet wird, was ich aber nicht so sehe. Dann gibt es da noch das leidige Thema Corona, das meiner Meinung nach die Industrie mehr ausbremst als die Bauwirtschaft und somit zusätzlich zu einer Verknappung des Materials führt. Diese Verknappung wiederum führt dann noch zu einem Phänomen, das wir aus der ersten Cornawelle vom Klopapier her kennen.
Daher rechne ich für die nächste Zeit noch mit steigenden Problemen und Preisen bei Holz und Holzwerkstoffen. Ich hoffe aber, dass ab Mitte des Jahres, wenn die Hamsterkäufe getätigt sind, die Lager gefüllt sind, die Handwerkerferien kommen und sich der Impfeffekt einstellt, auf eine Besserung der Situation. Ich rechne aber langfristig mit einem höheren Holzpreis, der sich dann auch hoffentlich positiv auf die heimische Sägeindustrie und den heimischen Wald auswirkt! Sorgen mache ich mir um den Ruf des Holzbaues, den wir über die letzten 10 Jahre gepflegt und aufgebaut haben, der jetzt, in dieser schwierigen Zeit, innerhalb kürzester Zeit wieder zunichte gemacht werden könnte.
Vielen Betrieben fällt es schwer, ihre Preiszusagen und Leistungstermine einzuhalten. Betrifft der Materialengpass ausschließlich den Werkstoff Holz oder gibt es andere Gründe dafür?
Hauptgrund ist tatsächlich der Materialengpass beim Rohstoff Holz. Mittlerweile sind jedoch auch andere Güter wie Dämmstoffe, Verbindungsmittel und Dachziegel betroffen. Ich sehe hier auch das Thema wie oben, dass die Industrie mehr von Corona betroffen ist als das Bauhandwerk. Ich habe aber auch den Verdacht, dass manche Lieferanten als Trittbrettfahrer auf die Kostenspirale aufspringen: Verknappung des Angebots, Preissteigerung, Hamsterkäufe, weitere Verknappung usw. und so versuchen ihre Erträge auf Kosten des Handwerks zu maximieren.
Können Einkaufsgenossenschaften zu einer Preisstabilisierung beitragen?
Einkaufsgenossenschaften stehe ich eher kritisch gegenüber, der Markt ist sehr vielfältig, es werden oft projektbezogen verschiedenste Materialien eingekauft. Eine Zwischenschaltung einer weiteren Organisation im Einkauf würde die Beschaffungen weiter verkomplizieren. Die Marktsituation hat sich in den letzten Jahren dahin verändert, dass eine Direktvermarktung zwischen Industrie und Holzbauunternehmen aufgebaut wurde. Das ist meiner Meinung nach der richtige Weg, jedoch muss jeder Holzbaubetrieb genau überlegen, mit wem wer welche Geschäfte eingeht und sollte versuchen, verlässliche, regionale Lieferketten und Geschäftsbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Das spart Transportkosten und ist nachhaltig!
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?
Frage an den Architekten:
Prof. Dipl.-Ing. Stefan Krötsch, Architekt, Professor an der HTWG Konstanz
Holzbau-Offensive ohne Holz: Die Preisentwicklung erwischt die Holzbaubranche zur Unzeit. Gerade nimmt der Holzbau richtig Fahrt auf und macht sich auf, die Nische des ewigen Start-Ups zu verlassen. Es ist erstaunlich, dass Deutschland die eigenen Klimaziele durch unglaubliche Exportmengen des Rohstoffs Holz in alle Welt (vor allem China und USA) gefährdet. Kurzfristige Gewinne international gefährden langfristige Geschäftsbeziehungen im eigenen Land.
Was bedeutet die aktuelle Preissteigerung und die Verfügbarkeit von Holz für das Bauen mit Holz?
In einem aktuellen Projekt prüfen wir gerade, an welchen Stellen sich Holzwerkstoffe wie BSH, BSP oder Plattenmaterial durch Schnittholz ersetzen lassen, das – aus kleinen Sägewerken bezogen – offenbar noch zu vernünftigeren Preisen zu bekommen ist. Das bedeutet für die Planung: Mehr Diagonalschalung auf Tafelbauwänden, weniger Dreischichtplatten.
Wie müssen wir künftig in Holz denken, um ressourcenschonend und architektonisch anspruchsvoll zu bauen?
Alte Ingenieur- und Handwerkertugenden, wie möglichst sparsamer Materialeinsatz, müssen wieder mehr in Mode kommen: Nicht nur bei Beton und Stahl, sondern auch beim Holz. Denn CO2-Bindung durch Holz funktioniert auch, wenn man dieselbe Menge CO2 in zwei statt in einem Haus bindet – und man ersetzt dadurch zwei statt ein Haus aus Beton. Hoher architektonischer Anspruch sollte dabei immer Grundlage der Planung sein, denn „Hohe Baukultur verstärkt unsere Verbundenheit mit dem Ort. Sie ermöglicht der Bevölkerung die Identifikation mit ihrem Umfeld, fördert eine inklusive und solidarische Gesellschaft, wirkt Diskriminierung und Radikalisierung entgegen und unterstützt Integration und Bürgerbewusstsein. (…) Kultur ermöglicht und fördert wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Sie formt unsere Identität und bestimmt, was wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen.“ (Davos Declaration, deutsche Übersetzung, 22.01.2018)
Frage an den kommunalen Investor:
Andreas Haas, Fachbereichsleitung Hochbau und Gebäudemanagement, Tübingen
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?
Die reine Verfügbarkeit entwickelt sich positiv. Uns sind aus dem Hochbau keine Lieferschwierigkeiten bei Holzprodukten bekannt. Auch haben technologische Entwicklungen das Anwendungsspektrum positiv beeinflusst. Die Preisentwicklung sehen wir kritisch. Insbesondere ist der Holzbau gegenüber konventionellen Bauweisen eher im Nachteil, was aus technologischer Sicht und hinsichtlich der Verfügbarkeit nicht nachzuvollziehen ist. Ein auch wirtschaftlicher Vorteil würde dem Holzbau gegenüber konventionellen Bauweisen den entscheidenden Marktvorteil bringen und diese Frage aus der ideologischen Bewertung in eine wirtschaftliche bringen.
Tübingen setzt auch auf den Holzbau: warum?
Die Universitätsstadt Tübingen überprüft alle ihre Handlungsweisen hinsichtlich ihrer ökologischen Auswirkungen. Die Verwaltung hat dem Gemeinderat vorgeschlagen, alle Neubauten verpflichtend in Holzbauweise zu errichten. Deshalb wird die Frage nach der Bauweise in diesem Segment nicht mehr gestellt, sondern auch exotische Projekte wie eine Radstation oder Feuerwehrgebäude in Holzbauweise gebaut. Neben den ökologischen Vorteilen wie Nachhaltigkeit und vermiedene CO2-Emissionen sind auch akustische, technische, produktionstechnische und atmosphärische Qualitäten willkommene Verbesserungen, von denen der Bauprozess und die Nutzer gleichermaßen profitieren.
Was plant Tübingen in den kommenden Jahren im Holzbau? Wie gehen Sie mit der aktuellen Preisentwicklung und Lieferzeiten um?
Die Universitätsstadt hat weit über die eigene Bautätigkeit hinaus den Holzbau als verantwortbare Bauweise auch in anderen Bereichen etabliert. Die Bauleitplanung setzt hier neuerdings genauso Maßstäbe, indem auch private Bauherren hierzu verpflichtet werden. Auch die städtische Wohnbaugesellschaft GWG baut weitestgehend in Holz, so dass hier ein großes Potential erschlossen wird. Angegangen werden soll auch die Kontrolle der Bezugsquellen möglichst in Verbindung mit den städtischen Quellen des eigenen Baumbestandes. Der Preisentwicklung wird begegnet durch weiträumige europaweite Ausschreibungen und entsprechend professionelle Planung. Allerdings sind die Marktmechanismen nur bedingt beeinflussbar. Es wird erwartet, dass die Vergrößerung des Angebotes und die Verbreitung des Holzbaus positive Impulse setzen können.
Frage an den kommunalen Investor:
Jürgen Stukle und Walter Städele, Förster/stellv. Bürgermeister der Gemeinde Frickingen
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein? / Was plant Frickingen in den kommenden Jahren im Holzbau? Wie gehen Sie mit der aktuellen Preisentwicklung und Lieferzeiten um?
Aus Sicht einer waldbesitzenden Kommune gilt in Rücksprache mit unserem Förster vorab festzustellen, dass sich die Absatzsituation auf dem gesamten Holzmarkt deutlich verbessert hat. Im Segment Eschen- und Eichenstammholz sind die Preise und Nachfrage konstant auf einem sehr guten Niveau. Buchenstammholz, vor allem im höherwertigen Bereich, lässt sich jedoch nur bei bescheidenen Preisen verkaufen. Die Nachfrage nach Nadelstammholz (Fi,Ta) ist sehr hoch, man spricht bereits von einer Knappheit am Markt, jedoch widerspiegelt sich dies noch zu wenig am Verkaufserlös, vor allem im Blick auf die letztendlich für den Verbraucher derzeit zu zahlenden sehr hohen Endpreise am Markt. Hier stimmt das Verhältnis nicht; es verbleibt deutlich zu wenig beim Waldbesitzer vor Ort. Die Industriehölzer (Nd,Lb) lassen sich nur zu wenig auskömmlichen Preisen vermarkten, obwohl auch dort im Bereich der Platten für den Innenausbau eine hohe Nachfrage herrscht. Immerhin scheint sich die Holzmarktlage nach dem turbulenten Vorjahr mittlerweile etwas zu stabilisieren.
Die Situation der Kommune als Bauherrin zeigt folgendes Bild: Planungsbüros und Holzbaubetriebe sind derzeit kaum in der Lage, verlässlich Kosten zu kalkulieren, bzw. Angebote zu erstellen. Die Betriebe, insbesondere Zimmereien, berichten uns von bedenklichen Lieferengpässen bei der Rohware und den damit verbundenen drastischen Preissteigerungen beim Materialeinkauf; diese Situation für die Betriebe, insbesondere die Preisentwicklung bei den Endprodukten, betrachten wir alle mit großer Sorge. Denn wenn dann zwangsläufig zu erwarten ist, dass ein Submissionsergebnis zu deutlich über der ursprünglichen Kostenberechnung des Architekturbüros liegt und damit die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis führt, ist das nicht zielführend. Auch für die aktuelle Holzbauoffensive Baden-Württemberg, die wir als Gemeinde Frickingen sehr begrüßen, ist dies nicht dienlich. Wir wollen und werden dennoch weiterhin als Kommune unsere Vorbildfunktion wahrnehmen und bei unseren öffentlichen Bauten, verbindlich Holzbauweise festlegen, weil wir auch bisher sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben. So läuft derzeit die Ausschreibungsphase für die Schaffung weiterer Plätze zur Betreuung von Kindern unter drei Jahren beim Kinderhaus in Altheim, selbstverständlich als reiner Holzbau. Die einzelnen Planungen für den 1,5-zügigen Neubau unserer Grundschule in Holzbauweise sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen werden, damit mit der Umsetzung im Frühjahr 2022 begonnen werden kann. Wichtig ist in jedem Fall, den ausführenden Baufirmen ausreichend Vorlaufzeit zu gewähren.
Frickingen setzt auch auf den Holzbau: warum?
Wer sich sprachgebrauchlich auf den „Holzweg“ begibt, ist ja eigentlich auf dem falschen Weg. Wir sagen – der Frickinger Holzweg geht seit 30 Jahren genau in die richtige Richtung. Denn „Bauen, Arbeiten, Leben mit Holz“ ist nachhaltig und zukunftsweisend! Im Ergebnis sind alle unsere öffentlichen Gebäude nicht nur „Holzbauprämiert“, sondern vor allem ausgezeichnet mit unterschiedlichen Architekturpreisen, d. h. für vorbildliches und städtebaulich ansprechendes Bauen. Dabei geht es uns in Frickingen als waldbesitzende und European-Energy-Award-zertifizierte Kommune längst nicht nur darum, Holz als geeigneten Bauwerkstoff und Energieträger (Nahwärmeversorgung mit Holzhackschnitzeln) einzusetzen, sondern mit der vorrangigen Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz, sowie auch mit der Nutzung von Sonnenenergie, regenerative Ressourcen zu verwenden. Es geht um aktiven Klimaschutz. Dies ist im „Energieleitbild der Gemeinde“ entsprechend verbindlich festgeschrieben. So ist unsere Gemeinde seit Jahren für ihr nachhaltiges Handeln in vielen Bereichen Vorbild und findet für diese Bemühungen auch entsprechend große Beachtung und Anerkennung – längst überregional.
Frage an den Wissenschaftler:
Dr. Jörg Schweinle, Thünen-Institut für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der Verfügbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen am Markt und die Perspektive der Preisentwicklung ein?
Die gestiegene Nachfrage der Bauwirtschaft und gestiegene Exporte von Nadelschnittholz vor allem in die USA bei gleichzeitiger Beschränkung des Einschlags von Fichte auf 85 % des ordentlichen Einschlags gemäß HolzEinschlBeschrV2021 wird in diesem Jahr zu anhaltender Verknappung des Angebots und steigenden Preisen für vor allem Fichtenschnittholz führen. Der Einschlag der anderen Baumarten ist von der Einschlagsbeschränkung nicht unmittelbar betroffen. Im Gegensatz zu den Schnittholzpreisen ist der Preisanstieg für Fichtenstammholz laut Destatis Erzeugerpreisindex allerdings bisher moderat. Der Wert hat im Februar 2021 gegenüber Januar 2021 um 0,7 Prozentpunkte (62,7 %) etwas angezogen. Im Vergleich zu Januar 2019 ist das Minus von 15,6 Punkten aber immer noch deutlich. Die Preise für Laubstammholz stagnieren dagegen.
Die Erzeugerpreise für Industrieholz sind im Vergleich zum letzten Quartal des Jahres 2020 um 3,8 % auf 69,9 % (Februar 2021) gestiegen. Der größte Preisanstieg ist hier bei Kieferindustrieholz zu beobachten. Die Erzeugerpreise für Fichtenindustrieholz waren in den vergangenen Monaten dagegen leicht rückläufig. Preise für Schnittholz sind seit Beginn des Jahres um rund 7% gestiegen. Ähnliche hohe Preissteigerungen sind bei Bahnschwellen zu verzeichnen. Preissteigerungen bei Holzwerkstoffen sind mit rund 2 % dagegen deutlich moderater. Insgesamt ist ein weiterhin hohes Preisniveau sowie ein knappes Angebot wahrscheinlich.
Was ist der Grund für die gegenwärtige Preisentwicklung und wie geht es weiter? Welche Rolle hat der Holzhandel?
Grund für die besonders starke Preissteigerung im Bereich (Fichten)Schnittholz ist die gestiegene Nachfrage der Bauwirtschaft, die trotz Corona anhaltend gute Nachfrage im Baumarktbereich sowie gestiegene Exporte. Die Beschränkung des Einschlags der Fichte wird nicht zu einer Vergrößerung des Stamm- und Industrieholzangebots führen. Höhere Preise für Fichtenstamm- und -industrieholz sind daher wahrscheinlich. Dies in Verbindung mit den beschränkten Verarbeitungskapazitäten im Inland und anhaltender Nachfrage aus dem Ausland lässt ein weiterhin hohes Preisniveau insbesondere für Fichtenschnittholz erwarten. Der Holzhandel ist ein wichtiger Faktor für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Eine geringere Exportquote ist durch eine Angleichung des Preisgefälles zwischen Inlands- und Exportmärkten zu erreichen.
Wo sehen Sie Einflussmöglichkeiten? Sind Marktregulierungen eine Lösung?
Marktregulierungen im Sinne von Exportbeschränkungen sind kontraproduktiv, da sie nur in Ausnahmefällen WTO-konform sind und zudem in der Regel zu Gegenmaßnahmen führen.
Fazit
Gestiegene Nachfrage nach Holz in Deutschland, vermehrte Exporte von Roh- und Schnittholz, ein Überangebot an Kalamitätsholz, coronabedingte Anpassungen der Kapazitäten in der Sägeindustrie, die Mechanismen eines globalen Marktes – es gibt nicht den einen Grund für die gegenwärtige Marktsituation des Holzes und von Holzprodukten. Und daraus resultierend gibt es auch nicht den einen „Königsweg“, der für die gewünschte Entspannung des Marktes sorgen könnte. Die Antworten unserer Interviewpartner zeigen deutlich, wie komplex und vielschichtig die Zusammenhänge sind.
Gleichwohl ist es aber zwingend notwendig, das Augenmerk auf die Risiken für die Wertschöpfungskette Forst und Holz zu richten: Steigende Preise und drohende Lieferengpässe machen nicht nur den Zimmerern und Holzbaubetrieben das Leben schwer, da so Angebote und Leistungszusagen nur schwer kalkulierbar sind. Auf der anderen Seite werden private Bauherren wie auch gewerbliche und öffentliche Investoren verunsichert, was im schlechtesten Fall zu Korrekturen in der Entscheidung pro Holz führen könnte. Da hilft es auch nicht wirklich weiter, dass andere Baustoffe wie Beton oder Stein mit ähnlichen Entwicklungen auf dem Markt zu kämpfen haben.
Holz steht für sich und ist einzigartig – nicht zuletzt deshalb, weil, um es mit den Worten von Peter Aicher, Vorsitzender von Holzbau Deutschland, zu beschreiben, „die Holzversorgung trotz der dynamischen Marktlage langfristig durch das Nachhaltigkeitsprinzip gesichert ist“. Soll heißen: Jahr für Jahr wird dem deutschen Wald weniger Holz für die Nutzung entnommen als nachwächst. Die Grundlage ist stabil – und muss dies auch sein, weil nach Einschätzung auch unabhängiger Experten die Nachfrage nach Holz weiter steigen wird. Was aber auch bedeutet, dass das Potential von Holz und seinen Produkten weiterentwickelt werden muss. Themen wie Ausbau der Ressourceneffizienz, Recyclingfähigkeit von bestehenden Gebäuden oder auch das Denken und Handeln aller Prozessbeteiligten in geschlossenen Kreisläufen stehen dafür stellvertretend. Die Marktchancen und die Prognosen für Holz und Holzprodukte sind bestens – und sie werden noch besser, wenn sich ein überhitzter Markt wieder beruhigt und die Akteure des Clusters ihre Chancen konsequent nutzen.