21.04.2017
Erstaunlich vielseitig einsetzbar – die Holzfaser anhand innovativer Produktentwicklungen beim Cluster innovativ vorgestellt
Zahlreiche Impulse zum Thema Holzverwendung mit Zukunft bot das Cluster innovativ am Mittwoch, 26. April 2017, für Experten und Interessierte aus holz- und faserverarbeitenden Betrieben sowie aus Politik und Forschung. Im Rahmen der vom 20. bis 28. April 2017 erstmals stattfindenden bundesweiten Clusterwoche ermöglichte die Veranstaltung der Netzwerk-Organisationen proHolzBW und Allianz Faserbasierte Werkstoffe Baden-Württemberg (AFBW) unterstützt durch das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf (ITV) einen Blick über den Tellerrand. „Wir leben Kooperation. Lassen Sie sich begeistern für eine nachhaltige Zukunft mit holzfaserbasierten Produkten“, eröffnete Sylvie Wiest, proHolzBW, die zweite Veranstaltung innerhalb des branchenübergreifenden Cross Cluster Austauschs.
Moderator Prof. Dr. Markus Milwich, ITV, stimmte die Teilnehmenden mit seinen Gedanken und Erfahrungen zu den Themen Verbundwerkstoffe, technischen Textilien, Viskose und Bioökonomie auf die Impulsvorträge der Referenten aus dem benachbarten Ausland ein. Den Einstieg für anschließende intensive Gesprächsrunden über die erstaunlichen Möglichkeiten holzfaserbasierter Produkte machte Benedikt Kirchhoff, Holzeinkäufer der Lenzing AG Österreich. „Grundlage für unsere Faserproduktion ist Faserzellstoff aus Buche, Fichte und anderen Holzarten“, berichtete Kirchhoff. „Anteilig wurden von 1,2 Mio. m³ Buchenindustrieholz am Standort Lenzing etwa 45 Prozent aus Österreich und 17 Prozent aus Deutschland eingekauft. Weiter zeigte der Experte das breite Spektrum der Produkte aus holzbasierten Cellulosefasern auf, das sich von flammhemmenden Fasern für Schutzanzüge über High-Tech-Fasern in Bereichen wie Automotive und Bau bis hin zu funktionalen Fasern für Outdoor-Bekleidung erstreckt.
Kirchhoff betonte, dass die Tencel-Faser-Produktion einer der Zukunftsbereiche sei. „Es handelt sich um ein High-End-Produkt, das in Funktionsbekleidung im Outdoor-Bereich eingesetzt wird“, erläuterte Kirchhoff. Die Tencel-Faser gehört zum Anwendungsbereich der Textilien, der mit 60 Prozent den größten Anteil bei der Lenzing AG ausmache, Tendenz steigend. Allerdings sei im weltweiten Vergleich der Anteil der Produktion holzbasierter Cellulosefasern wie Viskose, Modal und Tencel im Gegensatz zur Herstellung erdölbasierter Fasern sehr gering und sollte aufgrund der Ressourcenverknappung ausgebaut werden. Weiterhin liege großes Potential in der Verwertung des Nebenprodukts Lignin, das bei Lenzing und anderen Firmen, beispielsweise in der Papierindustrie, überwiegend thermisch verwertet wird. Eine Herausforderung liege darin weitere Anwendungsbereiche zu etablieren.
Stefan Truniger, General Manager der Weidmann Fiber Technology by Weidmann Electrical Technology AG Schweiz, begeisterte mit seinem Vortrag zu innovativen Anwendungen microfibrillierter Cellulose (MFC). Nicht nur seine Fachkenntnis überzeugten die Zuhörer, auch seine mitgebrachten Anschauungsbeispiele machten seinen Beitrag lebendig und spannend. Aus seinem Repertoire konnte die Gruppe verschiedene Produkte anfassen. Das reichte zunächst von speziellen Formteilen über eine mit MFC verleimte Isolationsplatte bis hin zu Schwämmen, die aufgrund der sehr guten Bindefähigkeit von Wasser durch MFC entweder hydrophil oder mit gedrehter Ladung im Umweltschutzbereich zum Einsatz kommen. „Ein hydrophober Schwamm kann das 50-fache seines Eigengewichts an Öl absorbieren“, lies er die Zuhörer wissen. Als erstaunliches Highlight für viele brachte er Peelings, Handcremes und Anti-Aging-Gesichtscremes basierend auf Holzfaser und Wasser zum Ausprobieren mit. Der Fachmann stellte zahlreiche Anwendungen vor, beispielsweise sind MFC in Esswaren als Bindemittel für Pasta, als Textur in Eiscremes und als Faserquelle in Müsliriegel eingesetzt. Auch können MFC leitfähig gemacht werden und beispielsweise in Batterien zum Einsatz kommen.
Produktentwicklungen aus MFC sind bei Weidmann erst seit kurzer Zeit am Entstehen. Ursprünglich kommt das bereits in vierter Generation geführte Familienunternehmen aus dem Bereich elektrischer und medizinischer Technologien mit Schwerpunkt in der Transformatorenherstellung. „Erst wenige Produkte mit MFC sind auf dem Markt, darunter beispielsweise Banknoten“, verriet Truniger. „Wir passen die Materialien auf die Anwendung an und fokussieren uns auf die Wertschöpfung“, erklärte der Experte. Er überraschte die Teilnehmenden mit einem ganz neuen Kosmos der Holzverwendung, der das Ziel verfolgt erdölbasierte Produkte zu ersetzen. Anschließend wurden Eindrücke und Informationen sowie Anregungen zu den Vorträgen ausgetauscht.