20.06.2018
Holzbau soll Baden-Württembergs Städte erobern
Experten bescheinigen Holzbau großes Potenzial im Kampf gegen Wohnraummangel in Großstädten – Minister Hauk plädiert für Nachverdichtung der Ballungsräume mit Aufstockungen und Anbauten in moderner Holzbauweise – Richtlinie ‚Holzbau BW‘ soll wichtige Planungshilfen anbieten, die Holzbau durch Standardisierungen noch attraktiver machen
Ostfildern, 20. Juni 2018. Mit Holz lässt sich effizient und nachhaltig neuer Wohnraum schaffen. Insbesondere dort, wo der Holzbau seine Vorteile wie Leichtigkeit, Geschwindigkeit und Präzision voll zur Entfaltung bringen kann – bei der Nachverdichtung im urbanen Raum. Das zeigte ein Treffen von über 80 Experten am Dienstag, den 19. Juni 2018, im Forum Holzbau in Ostfildern, bei dem verschiedene Aspekte der Nachverdichtung durch Holzbau beleuchtet wurden.
Peter Hauk, Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz, eröffnete die Veranstaltung und plädierte in seinen Grußworten an die Architekten, Ingenieure und Planer für die Nachverdichtung der Ballungsräume mit Aufstockungen und Anbauten in moderner Holzbauweise: „Der Mangel an Wohnraum ist vor allem in den großen Städten eine der drängendsten Fragen unserer Zeit. Zigtausende Wohnungen fehlen. Ein Grund hierfür ist auch, dass nicht genügend Baugrundstücke für Neubauten zur Verfügung stehen. Der nachwachsende und klimafreundliche Roh- und Baustoff Holz ist bestens dafür geeignet, wenn es darum geht, den urbanen Raum nachzuverdichten und so dem Wohnraummangel entgegenzuwirken.
Ferner wies der Minister darauf hin, dass trotz des hohen Wohnraumbedarfs die Zahl der Aufstockungen und Bestandserweiterungen rückläufig sei. Aber genau hier könne der Holzbau mit seinen entscheidenden Vorzügen punkten. Baden-Württemberg böte dafür laut Peter Hauk gute Voraussetzungen. „Wir haben mit unserer Landesbauordnung das holzfreundlichste Baurecht in Deutschland und sind damit Vorbild für andere Länder und den Bund“, betonte Hauk. In einer weiteren Novellierungsstufe werde nun die LBO weiterentwickelt. Durch die Erarbeitung der Richtlinie ‚Holzbau BW‘ würden im kommenden Jahr wichtige Planungshilfen angeboten. Das mache den Holzbau durch Standardisierungen noch attraktiver, als er ohnehin schon sei. Ein weiteres Plus sei der in Baden-Württemberg traditionell starke Holzbausektor mit weltweit agierenden Betrieben, ausgeprägtem Handwerk und erfolgreichen Architekten und Tragwerksplanern. „Unsere bundesweit führende Holzbauquote rund 30 Prozent bei Wohngebäuden zeigt zudem, dass der Holzbau in unserer Gesellschaft ankommt und zunehmende Akzeptanz auch bei Investoren und in großen Vorhaben findet“, sagt Peter Hauk.
Holzbau in der Stadt – Best Practice Beispiele aus der Region Stuttgart
Wie genau die Nachverdichtung durch den Holzbau aussehen kann, zeigten die anschließenden Expertenvorträge. Florian Danner (Danner Yildiz Architekten, Tübingen) stellte gleich zwei der Vorzüge von Holz in der urbanen Nachverdichtung heraus. Zum einen gab Danner anhand seines Projekts Ufo I 40 in Stuttgart ein herausragendes Beispiel, wie man im städtischen Bestand mit Holzbau nachverdichten und attraktiven Wohnraum schaffen kann. In Stuttgart allein gäbe es tausende ausbaufähige Dächer, deren Potenzial bislang nicht genutzt werde. Weitere Informationen zum Ufo I 40: https://dy-architekten.de/projekte/wohnungsbau/i-40/
In einem weiteren Vortrag verwies Danner auf die zukünftigen Herausforderungen, die die Menschheit zu bewältigen habe. Die Architektur habe mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung, den steigenden Ressourcenverbrauch, fortschreitende Urbanisierung und den Klimawandel noch keine zufriedenstellenden Antworten geliefert. In jedem Fall müsse ressourceneffizienter und materialsparender gebaut werden. Gute Ansätze fände man im Metabolismus der 60er Jahre, der laut Danner seiner Zeit wahrscheinlich einfach zu weit voraus gewesen sei, als dass er sich hätte durchsetzen können. Eine Kernidee der Metabolisten sei die Modulbauweise gewesen, die Danner selbst für geeignet hält, preiswerten und ökologischen Wohnraum zu schaffen. Ein entsprechendes Konzept unter dem Namen Holzmodul hat er gemeinsam mit der Willi Mayer Holzbau GmbH aus Bisingen entwickelt und erfolgreich in verschiedenen Projekten umgesetzt. Weitere Informationen zu Holzmodul: http://holzmodul.eu/
Mehrgeschossiger, nachhaltiger Wohnbau war das Thema von Architekt Oliver Hilt (architekturagentur, Stuttgart), der derzeit für die Baugruppe Max Acht auf dem Olga Areal in Stuttgart ein viergeschossiges Wohnhaus in leimfreiem Massivholz realisiert, das mit Erstellung CO2 neutral sein wird. Auch hier zeigen sich neben einer überzeugenden Klimabilanz Vorteile in der hohen Geschwindigkeit, mit der Gebäude aus Holz gebaut werden können. Besonders interessant wird das Projekt, durch das ebenfalls von der Architekturagentur geplante und in Bau befindliche Gebäude auf dem Nachbargrundstück. Das Massivhaus umschließt annähernd den selben Raum wie das Max Acht und wird in vergleichbarer Qualität gebaut. Und der Vergleich bietet spannende Erkenntnisse. Die Baukosten pro Kubikmeter umbauten Raum sind identisch. Das Max Acht bindet dank der Holzbauweise jedoch deutlich mehr CO2 und verbessert somit die Klimabilanz der Stadt. Zudem sind die Wände aus Massivholz deutlich dünner als die Wände in Massivbauweise. Das führt im Vergleich bei identischer Größe des umbauten Raums beider Gebäude zu mehr Wohnfläche im Max Acht. https://www.german-architects.com/en/architekturagentur-stuttgart/project/max-acht
Architekt Holger Lohrmann (lohrmannarchitekt, Stuttgart) präsentierte unter dem Schlagwort „poetischer Substanzerhalt“ die von ihm umgesetzte nachhaltige Transformation des ehemaligen Bewirtschaftungsgebäudes auf der Sauhalde in Stuttgart und seiner Umgebung. Das Ziel war es, in diesem ländlich anmutenden Umfeld mit Stadtblick einen Baukörper zu schaffen, welcher die Attribute der einfachen, bäuerlichen Architektur aufgreift. Erreicht wird dies unter anderem durch die sägeraue Verschalung aus hellem Tannenholz, die im Kontrast zum rauen Sichtbeton des Bestandsgebäudes steht. http://www.lohrmannarchitekt.de/portfolio/auf-der-sauhalde/
„Wir sehen, wer dem Wohnungsmangel in Städten ernsthaft etwas entgegensetzen und dies genauso zügig wie wirtschaftlich in die Tat umsetzen möchte, kommt am Baustoff Holz nicht vorbei“, sagt Christoph Jost, Geschäftsführer der proHolz Baden-Württemberg GmbH (proHolzBW), die das Expertentreffen gemeinsam mit den Organisatoren der Wanderausstellung BauNatour ausgerichtet hat. „Ein in Zeiten des Klimawandels sicherlich sehr willkommener Zusatzeffekt von Holz ist seine hohe CO2-Speicherkapazität, mit der Städte ihre Klimabilanz deutlich verbessern können“, ergänzt Jost. Interessierte Städte und Gemeinden können sich bei Fragen zum Thema Holzbau an die kostenlose Holzbaufachberatung der proHolzBW (Tel. 0711 / 400 545 71) wenden.
Natürlich Dämmen
Das Thema der Wanderausstellung BauNatour (Bis 21. Juni 2018 am Rotebühlplatz in Stuttgart) ist das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen. Monika Meier (Neptutherm), Architekt Thomas Kühn (Karlsruhe) und Ingenieur Peter Mackiol (Wiesbaden) präsentierten dem Fachpublikum einen ebenso innovativen wie ökologischen Dämmstoff. Neptunbälle, die Reste zersetzter Blätter des Seegrases, werden in einem natürlichen Prozess von Wind und Meereswellen an das Ufer geworfen. Um die Bälle als Dämmmaterial einsetzen zu können, werden sie lediglich gehäckselt. Eine Behandlung mit chemischen oder anderen Zusätzen zum Schutz vor Brennbarkeit, Nässe oder Insektenfraß sei nicht notwendig. Das unbehandelte Seegras wird der Brandklasse B2 zugeordnet und eignet sich zum Stopfen, Schütten und Einblasen als Dämmung. Weitere Informationen: https://neptugmbh.de/
Der Stellenwert von Holz im Zertifizierungssystem der DGNB
Dr. Stephan Anders, Leiter DGNB System, ging in seinem Vortrag auf den Stellenwert von Holz im Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ein, das aus ökologischer Sicht einen klaren Vorteil gegenüber anderen Baustoffen habe. Aber: „Die DGNB bewertet Holz nicht ausschließlich nach seinem ökologischen Wert. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, der ökonomische, soziokulturelle und technische Qualitäten berücksichtigt. Darüber hinaus spielt der Planungs- und Bauprozess sowie der Standort des Gebäudes bei der Bewertung eine wichtige Rolle. Hier zeigt sich, dass die verschiedenen Baustoffe in den jeweiligen Bereichen unterschiedliche Stärken haben, die in der DGNB Zertifizierung berücksichtigt werden“, erklärte Anders. Fazit: Mit Holz allein hat man eine DGNB Zertifizierung nicht sicher. Zahlreiche anderen Faktoren spielen eine Rolle. Welche, darüber informiert die DGNB unter anderem auf ihrer Internetseite www.dgnb.de/de/.
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- PM_Holzbau_soll_BW-Staedte_erobern_19.06.2018.pdf (83 KB, PDF)