Ostfildern, 24. Oktober 2023. Am 19. Oktober 2023 fand in Leinfelden-Echterdingen die 45. Fachtagung Holzbau Baden-Württemberg statt. Das Branchenevent für holzbauinteressierte Architekten, Ingenieure und Fachplaner bot den über 340 Teilnehmer/-innen eine Vielzahl an hochkarätigen Referenten mit Fachvorträgen zu aktuellen Leuchtturmprojekten im Holzbau, sowie aktuelle Einblicke in die neuesten Innovationen des Bauens mit dem nachhaltigen Werkstoff Holz. Die durch proHolz Baden-Württemberg und die Hochschule Biberach organisierte Fachtagung wurde begleitet von einer Fachmesse mit 36 Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette Forst und Holz.
Die Baubranche steht sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit vor tiefgreifenden Veränderungen, da u.a. Materialengpässe, steigende Baukosten und Energiepreise sowie hohe Klimaschutz-Anforderungen die Baugenehmigungen aktuell auf einen Tiefstand fallen lassen. Welche Ideen und Innovationen gibt es für die Zukunft des Holzbaus und wie kann in nachhaltiger Bauweise dringend benötigter und vor allem bezahlbarer Wohnraum entstehen?
Als nachwachsender Rohstoff wirkt Holz nicht nur klimafreundlich mit einer niedrigen grauen Energie bei der Erstellung eines Gebäudes, sondern auch klimapositiv als Kohlenstoffsenke beim langfristigen Einsatz. Die diesjährige Fachtagung bot dazu eine Plattform, um sich mit den Experten der Branche auszutauschen. Bei den Vorträgen kamen auch die neuesten Entwicklungen rechtlicher Rahmenbedingungen, aktuelle Leuchtturmprojekte herausragender klimafreundlicher Holzbau-Architektur sowie die neuesten Möglichkeiten, Holz mit anderen Baumaterialien zu kombinieren, zur Sprache.
Eröffnet wurde die Fachtagung durch proHolzBW-Geschäftsführer Uwe André Kohler, der in seiner Begrüßungsrede sowohl die Holzbau-Offensive als auch die neuesten Zahlen zur Holzbau-Quote in Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich vorstellte. Zugleich betonte er, dass es noch „genug Luft nach oben gebe“ hinsichtlich der Holz-Hybrid Bauweise im Mehrgeschossbau, bei Sanierungen und im modularen Bauen. Für die Zukunft dabei immer wichtiger: „Die Kooperationsfähigkeit kleiner und mittlerer Holzbau-Unternehmen zu einem Verbund, um auch größere Bauprojekte gemeinsam stemmen zu können“.
Peter Rothdach, Repräsentant des Generalsponsors Adolf Würth GmbH & Co. KG, stellte sein Unternehmen als Partner und Ansprechpartner aller Akteure des Holz-Handwerks vor. Laut Rothdach setzt dabei „das Zusammenspiel aus Bauherrenanforderung, die praktische und technische Umsetzung sowie die gesetzlichen Bauvorschriften einen kompetenten Partner im Bereich Baubeschläge voraus“.
Zum Abschluss der Eröffnung stellte Peter Hauk MdL, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BW, klar: „Wir haben auf Jahrzehnte hinaus ausreichend nachhaltiges Holz für die notwendigen Transformationen unserer Wirtschaft zur Verfügung“. Er forderte deshalb zeitnah einen „naturnahen Umbau der Wälder“, um dem Klimawandel so gut es geht entgegenzuwirken.
Am Vormittag führte Prof. Ludger Dederich von der Hochschule Rottenburg die Teilnehmenden ausführlich in die neue Holzbau-Richtlinie BW ein – er betonte dabei: „Abweichungen sind immer möglich“. Spannend wurde es bei seinen Ausführungen zu der Fragestellung „Wie gelingt es uns schnellstmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ohne dabei gesellschaftspolitischen Sprengstoff zu erzeugen?“.
Im Anschluß ging es direkt zum ersten Leuchtturmprojekt des Holzbaus, dem „CARL“ in Pforzheim. Das mit 14 Geschossen höchste Holz-Hybrid-Hochhaus Süddeutschlands wird nach seiner geplanten Fertigstellung 2024 über 5.300 m² Wohnraum bieten. Carsten von Zepelin, Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft Arlinger, stellte das beindruckende Bauprojekt, aber auch dessen Herausforderungen von der Planung bis zur Umsetzung, gemeinsam mit Architekt Peter W. Schmidt vom gleichnamigem Büroin Pforzheim und Stefan Mederle vom GeneralunternehmerZüblin Timber GmbH (Aichach) vor. Als Ausblick folgte die Idee zu einem „CARL 2.0“.
Am Nachmittag stellte Michael Bucher, Geschäftsführer der Wirth-Bucher GmbH & Co. KG in Bad Waldsee, einen Exkurs zum Thema Innenausbau mit Holz an Hand zahlreicher Referenzen vor. Hervorgehoben wurden dabei der spezielle Einschnitt im Riftschnittverfahren sowie die schonende Trocknung des regional bezogenen Holzes im Vakuumtrockenverfahren.
Mit den Referenten Jan Schreiber, ZRS Architekten Ingenieure Berlin, Benedikt Breitenhuber, Institut Wohnen und Entwerfen der Uni Stuttgart, Tobias Pörschke, Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur TU Brauschweig sowie Julian Mönig, Natural Building Lab der TU Berlin, folgte die Vorstellung eines innovativen Pilotprojekts zum Thema „Nachhaltiger Mietwohnungsbau aus Holz, Ziegel und Lehm“. Zwei der grundlegenden Fragen dabei waren: „Wie funktioniert ein öffentlicher Geschosswohnungsbau mithilfe von LowTech-Konzepten auf Basis von sorptionsfähigen Naturbaustoffen?“ und „Wie unterscheiden sich die drei unterschiedlichen Baustoffe in Bezug auf Ökobilanz, Betrieb und Performance?“.
Am Nachmittag ging es zeitgleich mit den Architektur- und Ingenieurseminaren auf der Fachtagung weiter. Schwerpunkt beim Architekturseminar mit Joachim Eble, Tobias Lohne und Daniel Prinz, Messerschmidt Partner aus Tübingen, war das Thema „Holz im Verbund mit weiteren Materialien“ sowie die Entwicklungswege im Holz-mineralischen Wohnungsbau. Vorzeigeprojekte sind hier das Wohngebäude „we-House Baakenhafen Hamburg“ sowie die „Rote Wand Stuttgart“, welche als Minimalhäuser mit deutlich reduziertem ökologischen Fußabdruck in einem Typologie-Mix aus Maisonetten-Wohnungen und Sozialmiet-wohnungen konzipiert sind. Das parallel stattfindende Bauingenieurseminar mit Prof. Jörg Schänzlin von der Hochschule Biberach ging der Frage nach, wie sich Holz-Beton-Verbunddecken nach DIN CEN/TS19103 zukünftig bemessen lassen.
Mit dem Klinikum Kempten und dem Erweiterungsbau der Firma Ritter Energie- und Umwelttechnik in Dettenhausen wurde das Thema Holz-Beton-Verbund mit herausragenden Praxisbeispielen von Kilian Scholl, Konstruktionsgruppe Bauen aus Kempten, erweitert. Roland Albrecht sowie Andreas Rieder, beide von der UNGLEHRT GmbH & Co. KG aus Memmingen, ergänzten den Vortrag inhaltlich zu den Themen „HBV-Deckenelemente“ sowie deren Gebäudeteile und ihre Bauweise.
Zum Abschluß der Fachtagung stellte Alexander Franz vom Architekturbüro Herzog & de Meuron in Basel in seiner Keynote das zugleich innovative wie inspirierende Projekt „HORTUS – ein Beitrag zum radikal nachhaltigen Bauen“ vor. „Ökologie mag zwar nicht der Kern der Architektur sein, aber sie ist mehr als ein Faktor unter vielen, denn sie betrifft alle Bereiche des Bauens und sie muss vom Tag eins an Thema sein“, so Alexander Franz.
Die Moderation der Fachtagung übernahm wie im Vorjahr Dipl.-Architektin Andrea Georgi-Tomas vom Büro ee concept GmbH in Darmstadt.
(Bilder: KONZEPTS AF)
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