Ostfildern, 02. Dezember 2022. Beim Werkvortrag am Holzbau-Donnerstag vom 01. Dezember 2022 berichtete Dipl.-Ing. Christian Fischer-Wasels über sakrale Bauten in Holzbauweise – eine ganz spezielle Form des Bauens mit Holz. Dabei erfuhren die Teilnehmer, wie durch Holz eine besondere Atmosphäre entstehen kann, und warum gute Architektur die vielen Vorteile von Holz zur Geltung bringt.
„Warum gibt es Häuser, die stumm sind, während andere reden oder sogar singen?“ (P. Valéry)
Eine spezielle Herausforderung bei sakralen Bauten ist die akustische und räumliche Gestaltung sowie die Lichtgebung: welche Kriterien müssen sakrale Gebäude erfüllen, um ihren Zweck zu erfüllen? Christian Fischer-Wasel vom Büro Kränzle+ Fischer-Wasels Architekten in Karlsruhe nahm Bezug auf den Text „Eupalinos oder der Architekt“ von Paul Valéry – manche Häuser sind stumm, während andere sprechen oder sogar singen. Für sakrale Bauten braucht es Gebäude, die singen können – die für ihre Besucher eine ganz besondere, respektvolle Umgebung schaffen und dabei selbst in den Hintergrund treten.
„10 Thesen der Architektur“
Christian Fischer-Wasels und Kollege Nikolaus Kränzle haben auf Basis ihrer langjährigen Arbeit „10 Thesen der Architektur“ entwickelt, die alle wichtigen Aspekte guter Architektur benennen. Nach diesen Thesen ist erstens die Raumqualität ausschlaggebend, weiter die Beziehung von Innen- und Außenraum. Eine gute Architektur muss alle wichtigen Sinne ansprechen – sehen, hören, tasten, riechen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Bruder-Klaus Feldkapelle in Mechernich-Wachendorf: Abgebrannte Fichtenstämme formen die deutlich strukturierten Wände des fensterlosen, turmartigen Baus. Ein weiterer Punkt ist die Konstruktion, dann die Ästhetik. Im Bereich der Ästhetik und Atmosphäre nennt Herr Fischer-Wasels Peter Zumthor als wichtigen Vorreiter. Dann geht es bei guter Architektur auch um Kreativität und Kontrolle. Nicht zuletzt die Einfachheit sowie Architektur als Hintergrund. Sind die Bauten unaufdringlich, halten sie sich genügend im Hintergrund? Ermöglichen Sie den Besuchern die notwendige Würde und Stille? Außerdem Zeitlosigkeit, Transzendenz sowie die gesellschaftlichen Verhältnisse. Herr Fischer-Wasels illustrierte seine Thesen mit zahlreichen Beispielen. Welche Rolle spielen die 10 Thesen bei der Planung sakraler Bauten?
Aussegnungshalle neuer Friedhof Karlsruhe Wolfartsweier
Die Herausforderung ist, dass der Architekt bei sakralen Bauten einen anderen, einen neuen Blickwinkel einnehmen muss. Faktoren, die bei allen Gebäuden wichtig sind, erhalten hier eine besondere Relevanz: Wie gestalte ich einen Raum zum Nachdenken, zur Erinnerung, zur privaten Trauerarbeit? Wie kann ich eine getragene, aber dennoch freundliche und nicht zu düstere Atmosphäre entstehen lassen? Wie wird ein Raum angenehm für die Besucher, der sich zum Beispiel durch einen Trauerfall in der Familie in einer nicht angenehmen Situation befinden? Im Jahr 2009 gewann das Büro Kränzle+Fischer-Wasels den Wettbewerb für die Planung der Aussegnungshalle Wolfartsweier in Karlsruhe, die auf dem dortigen Friedhof in direkter Nähe zur A5 errichtet werden sollte. Das Grundstück befindet sich auf ehemaligen Obstwiesen.
Es handelt sich um ein einfaches, rechteckiges Gebäude. Neben dem zentralen Kapellenraum gibt es einen Abschiedsraum und einen kleinen Innenhof. Das Licht fällt nur von oben ins Gebäude, damit die Besucher ungestört sind. Die Planung des Objektes in Form einer „Raumklammer“ richtet die Aussegnungshalle abseits zur Autobahn, um Lärm und andere Einflüsse von vorneherein weitgehend abzufangen, und hin zum Licht. Zur Richtung der Autobahn hin wurden daher die öffentlichen Hygieneräume platziert sowie weitere organisatorische und Abstell-Räume. Natürlich vergrauende Holzschindeln und Lärchen-Dreischichtplatten bilden die Fassade. Es wurde soweit wie möglich auf Auskragungen verzichtet, um eine regelmäßige Vergrauung der Holzschindeln zu fördern. Die Aussegnungshalle empfängt den Besucher mit schlicht gehaltenen Innenräumen, dezentem, aber dennoch aufhellendem Licht und schützt durch die „Klammer“ in Form von einer Mauer vor den Fenstern vor Lärm und unerwünschten Blicken.
Wir bedanken uns beim Referenten sowie allen Teilnehmern für die gelungene Veranstaltung und freuen uns auf den nächsten Holzbau-Donnerstag. Sie wollen wieder dabei sein? Hier geht’s zur kostenfreien Anmeldung für die nächste Veranstaltung „Im Detail“ am Holzbau-Donnerstag am 08. Dezember 2022 um 10 Uhr.
Der Holzbau-Donnerstag
Der “Holzbau-Donnerstag” bietet vier Formate, um Sie mit auf die Reise in den modernen Holzbau und die gebaute Zukunft zu nehmen: Jeden ersten Donnerstag im Monat findet “Der Werkvortrag” statt, jeden zweiten Donnerstag im Monat das Seminar “Im Detail”, jeden dritten Donnerstag im Monat das Seminar “Cluster Innovativ” und jeden vierten Donnerstag im Monat das Seminar “Ressource Wald und Holz”. Der Holzbau-Donnerstag ist eine Veranstaltung von proHolzBW im Auftrag der Holzbau-Offensive BW.
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