Vierte Veranstaltung „Holz trifft Mobilität“ mit proHolzBW und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt am 15. November 2024.
Ostfildern, 06. Dezember 2024: Dass Holz viel mehr kann, als nur für ein edel glänzendes Armaturenbrett zu dienen, haben die Teilnehmer bei der gemeinsamen Veranstaltung von proHolzBW und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart erfahren: „Holz und Fahrzeugkonstruktionen passen nicht zusammen? Da lohnt sich auf jeden Fall ein zweiter Blick“, so Uwe André Kohler, Geschäftsführer von proHolzBW bei seiner Begrüßung. Unter dem Motto „Informieren, austauschen und gemeinsam Fahrt aufnehmen!“ erkundeten Referenten aus den Bereichen Forstwirtschaft, Holzverarbeitung und Fahrzeugbau die Chancen und Herausforderungen des Einsatzes von Holz in Fahrzeugstrukturen. David Heyner, Institut für Fahrzeugkonzepte, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Stuttgart: „Statt Technologieoffenheit brauchen wir Technologieentschlossenheit“. Moderator Markus Blenk wies auf die dekarbonisierenden Eigenschaften von Holz hin: „Holzverwendung ist aktiver Klimaschutz. Fahrzeugstrukturen auf Grundlage von Holz ermöglichen eine CO2-arme Konstruktion.“
Nicolas Hofmann von der Forstlichen Forschungs- und Versuchsanstalt in Freiburg (FVA) präsentierte in seinem Vortag den Status Quo, die Herausforderungen und Perspektiven der Forstwirtschaft. Mit den wichtigsten Ergebnissen der Bundeswaldinventur lieferte Hofmann einen unabhängigen Überblick zu den Waldverhältnissen in Deutschland, den Holzvorräten und den forstlichen Produktionsmöglichkeiten. Ein Drittel Deutschlands ist bewaldet. Während sich die Fläche in den letzten 10 Jahren kaum verändert hat, setzt sich der Trend zu mehr Laubwäldern fort. Bei den Nadelbäumen hat die Kiefer die Fichte überholt, Buchenbestände haben deutlich zugenommen, weisen aber häufig Trockenheitsschäden auf. Die Holzvorräte sind mit aktuell 3,7 Milliarden Kubikmeter Holz immer noch sehr hoch.
„Es gibt gute Gründe, den Holzvorrat der Nutzung zuzuführen.“
Die Bäume in den deutschen Wäldern werden immer älter. Wenn kritische Altersstufen erreicht werden, erhöht sich das Risiko für Sturmwurf, Trocken- und Käferschäden, das geerntete Rundholzvolumen reduziert sich. Die durchschnittlichen Durchmesser nehmen im Zuge der Alterung zu, was für Sägewerke zum Problem werden kann. Hofmann bewertet Holz im Vergleich zu fossilen Brennstoffen und mineralischen Baustoffen immer noch als einen nachhaltigen, klimaschonenden Rohstoff.
Rundholzcharakterisierung und neue Sorten.
Holz ist ein inhomogener Naturstoff, der sich je nach Baumart und Standort in der Holzstruktur unterscheidet. Zur Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften von Rundholz stellte Hofmann verschiedene Messmethoden vor: Der MiCROTEC Viscan (eine NDT-Methode, non-distructive testing) erfasst die Struktur von Stämmen in Bezug auf ihre Qualität und Anwendungsmöglichkeit für Industrieanwendungen wie Holzbau und Automotive. Er wird in Sägewerken zur Festigkeitssortierung eingesetzt. Neben der Ermittlung des dynamischen E-Modul (Elastizitäts-Modul) gab es Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Festigkeit und RVR-Qualität der Stämme (RVR = Rahmenvereinbarung für den Rohholzhandel). Bei Nadelholz sind Unterschiede wie Kern- und Splintholz sowie unterschiedliche Dichten im CT leichter zu erkennen und zu determinieren als bei Laubholz. Auch Extraktstoffe wie Taxifolin, wichtige Rohmaterialien für die Bioökonomie, können bestimmt und mengenmäßig erfasst werden.
79 % der Waldfläche in Deutschland besteht aus Mischwald, was in einer immer größeren Heterogenität beim Rohholz resultiert. Dies stellt das gängige Konzept von Sorten, Sortengrenzen und Aushaltung in Frage (Die Aufteilung des Baumes in Stammholz, Drittholz und Brennholz/ggf. Bioökonomie). Nicolas Hofmann zieht Bilanz: „Es gibt viele Herausforderungen, jedoch ist weiterhin genug Holz für eine nachhaltige Holznutzung vorhanden, vor allem im sehr vorratsreichen Süden Deutschlands.“ Der Trend zu mehr Laubholz wird anhalten, was aber aufgrund seiner Eigenschaften neue Herausforderungen für die Wertschöpfungskette mit sich bringt. Die Laubholzforschung wird weiter an Bedeutung gewinnen. In Baden-Württemberg wurde 2020 das „Technikum Laubholz“ gegründet, um den effizienteren Einsatz von Holz und holzbasierten Materialien in der Industrie zu fördern. Hofmann: „Die Forstwirtschaft sollte einen Wunschzettel von der Bioökonomieseite bekommen, um besser auf deren Rohstoffbedarf eingehen zu können.“
Der digitale Fingerabdruck.
Dr. Jörg Staudenmaier (FVA) referierte zu innovativen Logistiklösungen in der forstwirtschaftlichen Bereitstellungskette. Die Forst-Holz-Bereitstellungskette beginnt mit dem Einschlag im Wald durch motormanuelle Holzernte oder Harvester und endet mit der Einlieferung ins Sägewerk oder am Verladebahnhof. Neue Rahmenbedingungen entstehen durch klimaangepasste Mischwälder, Kalamitätsereignisse, Fachkräftemangel und Energiekosten. Kalamitätsereignisse geben vor, welche Bäume geerntet werden müssen. Mischwälder bedingen andere Transportbedingungen als Monokulturen. Bisher gibt es für die Forst-Holz-Bereitstellungskette keine konsistente, fälschungssichere Rückverfolgungsmethode: einzelne Baumstämme werden mit Barcodes oder Markierungen gekennzeichnet. Eine lückenlose „Chain of Custody“ vom Einschlag bis zum Werkseingang ist aber notwendig für den Herkunftsnachweis, eine transparente Abrechnung und, um Daten für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu sammeln. Vorgestellt wurde das Projekt „DiGeBaSt“ in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut und weiteren Partnern, das auf „Track & Trace Fingerprint“ basiert, einem Nachverfolgungssystem für die Bauteilindustrie. Bei DiGeBaSt wird von der Stirnfläche des Stamms ein Bild und daraus ein „Fingerprint“ generiert in Form eines binären Codes. DiGeBaSt befindet sich noch in der Studienphase, erste Zwischenergebnisse sind allerdings vielversprechend für eine spätere leichte Integration in den Transportprozess. Weiter thematisierte Jörg Staudenmaier die Submeter-Navigation im Wald: Mit dem Projekt SuperNav in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut Nürnberg und weiteren Partnern wurden Echtzeitpositionierung und intuitive Nutzung erforscht und verbessert. Ein Problem bleibt in der Forstwirtschaft im Gegensatz zu anderen Branchen der Satellitenempfang, der durch Wetterbedingungen, Baumüberhang oder Geländeformation Abweichungen von bis zu sieben Metern verursachen kann. Speziell für diese Anforderungen wurde daher eine Waldantenne entwickelt, mit der eine deutliche Signalverbesserung erzielt wird. Zusätzlich werden Mehr-Antennen-Empfänger-Systeme genutzt. Eine weitere Verbesserung des Signals entsteht durch die Fusion der Sensoren GNSS (Satellitensignale) und IMU (Inertial measurement unit). In verschiedenen Testparcours wurden in Echtzeit Navigationsdaten aufgezeichnet, die sich gegenwärtig noch in der Auswertung befinden. Als wichtiges Fazit hält Staudenmaier fest: „Die verwendeten Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Positionsbestimmung.“ Weitere Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt werden mit der Auswertung der generierten Daten in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen.
Etablierung einer Kreislaufwirtschaft.
Die Geoökologin Dr. Simone Ehrenberger (DLR) referierte zur ökologischen Bewertung und Kreislauffähigkeit von Werkstoffen für den Automobilbau. Sowohl der Gebäudesektor als auch der Verkehrssektor hängen dem Bundesklimaschutzplan weit hinterher. Ehrenberger: „Eine vollständige Dekarbonisierung bis 2045 kann nur durch entsprechende Maßnahmen im Verkehrssektor erzielt werden.“ Ehrenberger stellte verschiedene Normen auf EU-Ebene zur Treibhausgas-Bilanzierung sowie Emissionsstandards vor, REACH zum Einsatz von Chemikalien und EU-Richtlinien zur Energienutzung oder Recyclierfähigkeit. Bei einer ökologischen Bewertung wird entweder der ganze Produktlebenszyklus oder ein Teilbereich daraus bewertet. Beim PKW zählen dazu Produktion, Nutzung und Recycling. Als Teil des EU Green Deal soll bis zum Jahr 2050 eine Kreislaufwirtschaft etabliert werden. Ansätze auf dem Weg dorthin sind „Narrow the Loop“, also die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der Primärwerkstoffe; „Slow the Loop“ meint die Verlängerung und Intensivierung der Produktnutzung und „Close the Loop“ – Kreislaufschließung und Reduktion der thermischen Verwertung. Im Fahrzeugbereich gibt es vier Schwerpunktbereiche, um die Kreislauffähigkeit zu erhöhen: Energieeffizienz und Dekarbonisierung, materielle Zirkularität, Optimierung der Lebenszeit und eine Verbesserung der Auslastung.
Relevante Trends für neue Fahrzeugtechnologien.
Frau Dr. Ehrenberger stellte die wichtigsten Entwicklungstrends im Fahrzeugbereich vor, um auf die Kreislauffähigkeit hinzuarbeiten. Dazu zählen neben neuen Fahrzeugkonzepten und Design, Antriebstechnologie, Energiemanagement und Elektronik vor allem die Werkstofftechnologie, also der Einsatz alternativer Konstruktionsmaterialien. Unabhängig vom Antrieb bestehen Fahrzeuge heute und in absehbarerer Zukunft zum größten Teil aus Metallen (ca. 69 % davon Stahl, 20 % Aluminium, 10 % Metallverbund plus weitere). Während Primärstahl und Kunststoffe einen begrenzten Co2-Fußabdruck besitzen, liegt das Treibhauspotential (GWP) von Primärmaterial bei Aluminium und Magnesium, bedingt durch Produktionsrouten und Herkunftsregionen, bei ca. 20 bzw. 27 kg CO2 eq pro kg Werkstoff und ist enorm. Holz spielt im Fahrzeugbereich bis jetzt noch eine untergeordnete Rolle. Ehrenberger: „Durch die Erschließung weiterer Anwendungen, vor allem für die Großproduktion, kann Holz einen Beitrag zur Reduzierung von Emissionen in der Fahrzeugproduktion leisten.“ Wo setzt die Forschung an, um die Fahrzeugproduktion klimafreundlicher zu gestalten? Simone Ehrenberger: „Ansätze für die weitere Forschung und Entwicklung sind ein geringer Material- und Energieverbrauch, geringeres Fahrzeuggewicht und die Verwendung von Sekundärrohstoffen. Recycling-Optionen spielen eine Rolle und Emissionen können im Lebenszyklus verlagert werden. Dabei bleiben Unwägbarkeiten, da viele Daten Schätzungen sind und sich die Bilanzen nicht auf CO2-Emissionen beschränken sollten. Auch ist Transparenz notwendig.“
Holz in Fahrzeugstrukturen.
Dr. Hartmut Henneken von Jowat SE, einem mittelständischen Klebstoffhersteller in Detmold referierte zu Holzwerkstoffen in der Mobilität. Klebstoffe erhöhen die Effizienz und vervielfältigen die Anwendungsgebiete von Holz in der Industrie. Erstes Beispiel für solche Anwendungen waren die Endklappen von Brennstoffzellen aus verschiedenen holzbasierten Materialien unter anderem für Schiffe und den Schwerkraftverkehr. Dabei handelt es sich um ein Teilprojekt vonFC-BIO, das die Entwicklung einer biobasierten Brennstoffzelle komplett aus biobasierten Materialien erforscht. Projektpartner ist hier unter anderem das Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI. Die Vorteile von Endplatten aus Holz sind das geringere Gewicht und die bessere thermische Isolation. Verwendet wurde Hartholz der Firma Lignit, harzgetränkte Hölzer und teilweise Accoya Hirnholz. Ein weiteres Beispiel sind Endplatten mit Balsakern und Glasfaserplatte aus recyclierten Rotorblättern.
Die Hauptmotivation, Metalle in Fahrzeugen mit Holz zu ersetzen, ist neben der Nachhaltigkeit ein geringeres Leergewicht, wie auch schon von Frau Dr. Ehrenberger ausführlich analysiert wurde. Es gibt leider den Trend, dass Fahrzeuge immer schwerer werden, speziell seit Entwicklung der e-Mobilität. 100 kg mehr Gewicht steigert pauschal den Kraftstoffverbrauch um 1,4 Liter pro einhundert Kilometer. Henneken stellte einige bemerkenswerte Projekte vor. Das Ziel von AdHoMeist die Entwicklung eines „schaltbaren“ Klebstoffs, der vernetzt und sich bei höheren Temperaturen entnetzt. Im Rahmen des BMBF-Projekts HAMMERwurden Furniere aus verschiedenen Materialien wie Holz und Aramid entwickelt für Seitenversteifungen in Fahrzeugtüren, um konventionelle Stahlbauteile zu ersetzen. Die gewünschten Zieleigenschaften wie Festigkeit und Leichtigkeit konnten in Tests nachgewiesen werden. Im Projekt FOR(S)TSCHRITTwurden Zugseitenwände, Zugtüren und Fahrzeugtüren auf Holzbasis entwickelt. Als Beispiel sei die Vordertür des VW Tiguan genannt, bei denen Seitenversteifungen aus dem HAMMER-Projekt weiterentwickelt wurden. Die Holzhybrid-Tür mit einer Innenstruktur aus knapp 90 % Furnierschichtholz schnitt im Crashtest gleichwertig oder besser ab als die Referenztür mit konventionellen Materialien und erfüllt damit die Anforderungen sicherheitsrelevanter Baugruppen. Das ähnliche Prinzip zeigte sich auch bei Bauteilen aus dem Schienenverkehr, hier wurden Türen in geklebter Sandwich-Struktur entwickelt mit ölgetränktem Wabenmaterial als Füllung. Der Vorteil: Die Aluminiumprofile können dünner hergestellt werden, die Produktion der ergänzenden Holzbauteile ist kosteneffizient. Das Gesamtgewicht der Zugtür ist leichter bei gleichen Eigenschaften. Bei EHoLAwurden Rücksitzverstärkungen und Crashboxen auf Holzbasis entwickelt. In der Crashbox kam ein Kegelstumpf aus Buchefurnier zum Einsatz mit höherer Energieabsorption als einem Aluminium-Hohlprofil. Henneken zieht das Fazit: „Holz und Holzwerkstoffe bieten großes Potential für Anwendungen in der Mobilität, die über das reine Design hinausgehen.“ Holzkonstruktionen können bei geringerem Gewicht die Performance konventioneller Materialien übertreffen. Für eine größere Anwendung in der Breite sind auch hier weitere Forschungen notwendig. Ein letztes spannendes Beispiel war ein Ausflug in den Bereich der Unmanned Aerial Systems (UAS = Drohnen). Henneken stellte das Projekt HerMes vor, bei dem ein Multicopter aus nachwachsenden Leichtbaumaterialien entwickelt wurde – auch hier mit dem Ziel leichterer Strukturen, einer nachhaltigen Bauweise und industrietauglicher Anwendung. Für das Projekt wurden alle Bauteile und auch die Klebstoffe speziell entwickelt.
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